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Mittwoch, 14. April 2004

Nur, damit Sie das wissen.

Frau Montez wollte mich gestern Abend zu sich einladen oder mir von ihren Söhnen auf Kuba erzählen oder vom Einkaufen oder was weiß ich was. Sie hat so lang geklingelt, bis ich die Tür geöffnet habe. Als ich die Tür geöffnet habe, war Frau Montez nicht mehr da, sondern Herr Hansen und ein anderer Polizist in frau. Frau Montez hat so lange geklingelt und kubanisch gegen die Tür gefäustet, bis Herr Schnörrzersbergermitfünfr vom Dritten die Polizei angerufen hat. Ob Herr Schnörrzersbergermitfünfr das wirklich war, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Nehmen wir einfach an, er war es.

Jedenfalls habe ich aus dem Fenster gesehen wie ein Streifenwagen beim Einparken gegen die Glasmülltonne gefahren ist. So eine Schweinerei ist das, habe ich mir gedacht und überlegt, wegen der Glasmülltonne die Polizei zu verständigen. Da ich kein Telefon besitze, ließ ich es sein. Zwei männliche Polizisten sind aus dem Wagen gestiegen. Einer von ihnen war eine Frau. Sie sind im Hauseingang verschwunden und es ergab sich folgende Situation. Nur damit Sie das wissen:

Unten hat die Polizei geklingelt. An der Tür hat die Frau Montez geklingelt. Von oben hat der Herr Schnörrzersbergermitfünfr mit etwas Hartem gegen seinen Fußboden, also gegen meine Decke gewütet, anstatt sich bei der Frau Montez zu beschweren. Es war ja nicht ich, der da Sturm geklingelt hat, sondern sie. Ich weiß ja nicht. Vielleicht macht man das in kommunistischen Ländern so wie sie. Ich meinerseits habe bloß Bach gehört. Aber meinetwegen. Soll er klopfen. Wegen Bach habe ich das Geklopfe ohnehin kaum mitbekommen.

Dann hat es plötzlich auch in meinem Arbeitszimmer geklingelt. Das Ganze wurde mir unheimlich. Weil dieses neue Klingeln so fremd war und weil insgesamt so viel klingeln um mich war. AM besten, ich erkläre Ihnen das noch einmal. Weil Sie eine junge Frau sind und es sein kann, dass Sie mir bisher nicht aufmerksam oder ungenau gefolgt sind:

Vor der Tür steht Frau Montez aus Kuba. Ihr kubanischer Daumen ist seit einer Stunde dreiundzwanzig Minuten mit meiner deutschen Klingeln so etwas wie verheiratet. Immer hin und her, vor und zurück, drücken und schlagen, halten und loslassen, zwischendurch auch mal schreien und weggehen, dann wiederkommen und noch mehr schreien. Unten stehen zwei Polizisten. Sie klingeln seit siebzehn Sekunden wegen des kubanischen Klingelns. Dieses wiederum muss wohl meinem hörempfindlichen Nachbarn, dem Herrn Schnörrzersbergermitfünfr, mißfallen haben. Er hat deswegen nicht nur die Polizei angerufen, sondern auch seit mindestens zwei Stunden seinen Boden mit - ich nehme an - einem Besenstiel oder Hammer bearbeitet. Was im Grunde seltsam ist, da ja die Frau Montez erst seit knapp über einer Stunde klingelt.

Und jetzt war dieses neue Klingelgeräusch da. Aus dem Arbeitszimmer. Was war das bloß? Da ich es wegen Bach kaum von den anderen beiden Klingeln unterscheiden konnte, bin ich ins Arbeitszimmer gelaufen, habe mich breitbeinig hingestellt und aufmerksam gehorcht. Irgendwann ist mir eine Szene aus einem Abendunterhaltungsfilm eingefallen. Darin produziert ein Gerät ganz ähnliche Geräusche, wie ich sie gerade auch hörte. Den Namen des Films weiß ich nicht mehr, wie ich mir nie Namen von Filmen merken kann. Aber das Gerät hieß Telefon. Das ist mir wieder eingefallen. Ich habe mich außerdem erinnert, vor einigen Jahren ebenfalls so ein Telefon eingebaut zu haben. Das Läuten - weil es war mehr ein Läuten als ein Klingeln - kam aus dem Schuhschrank. Also habe ich dort nachgeschaut und unter einer Menge anderer Dinge ein Telefon gefunden.

Es läutete erst einmal nicht. Dann läutete es wieder.

Bevor Ihnen der Schuhschrank Gelegenheit gibt einen Brief zu schreiben, "nur" um zu erfahren, warum ich ein Telefon in einem Schuhschrank aufbewahre, ich könnte ihn genauso in einen Kühlschrank stecken, möchte ich Ihnen gerne diese Gelegenheit vereiteln und die Frage im voraus beantworten. Ich mag den Geruch von Schuhcremé. Das ist neben Pilsschaumkronengeruch und Gebackenfrischemton mir der angenehmste. So einfach ist das.

Aber das ist nicht der Grund, warum bei mir ein Telefon im Schuhschrank zu finden ist. Schließlich benutze ich ja das Telefon niemals. Was hätte ich denn am Schuhcremégeruch eines Telefons, das ich niemals rieche. Richtig. Nur, damit Sie das wissen. Ich lagere das Telefon in einem Schuhschrank, weil dieser...dieser... Löffel darauf, in den man also spricht, einem Schuh nachgebildet ist. Er sieht wie ein Schuh aus. Ein Schuh aus Plastik mit Telefonfähigkeiten. Und auch diese Frage Ihrerseits möchte ich gerne verhindern: Herr Müngensdorf hat mir damals das Gerät geschenkt, damit ich nicht immer zu ihm laufen muss, nur um zu erfahren, ob heute wieder frische Papaya geliefert wurde. Verstehen Sie? Laufen? Schuh? Wie auch immer. Ich habe damals das Ding aus dem originellen Schuhkarton ausgepackt und alles so angeschraubt und reingestöpselt, wie angewiesen. Der einzige Anruf, den ich jemals getätigt habe, war, Herrn Müngensdorf bescheid zu sagen, dass ich mich über einen Schuhkarton voll Papaya mehr gefreut hätte, als über einen Schuh im Form eines Telefons! Beziehungsweise umgekehrt.

Aber ich schweife ab und es wird langsam spät und irgendwann muss ich ja noch die Tür aufmachen und die Einladung von Frau Montez ausschlagen. Das müssen Sie nämlich auch wissen. Ich lasse mich nicht einladen. Niemals. Nirgendwohin. Ich weiß, wohin ich gehen will und ich weiß, wann ich dort sein will. Da brauche ich mir von niemanden eine Einladung dafür zu geben. Wo ich nicht hingehen will, da geht mich auch keine Einladung hin. Fertig.

Dass ich gar nicht dazu kommen werde, Frau Montez' Einladung nicht anzunehmen, wußte ich zu diesem Augenblick, in dem ich den Schuh abgehoben habe, nicht. Was ich aber wußte, als ich in das Loch gesprochen habe, in das bei einem Schuh, der kein Telefon ist, der Fuß und nicht die Stimme kommt, ist, dass Sie dran sein werden. Weil die Lottofee wird es nicht sein. Ich spiele nämlich kein Lotto. Glücklich also, dass ich wegen Bach nur die Stimme erkannt habe und kein Wort davon verstehen konnte, was Sie vielleicht zu sagen versucht haben. Was auch immer es gewesen sein mag, ich befürchte fast, Sie werden trotz der fünf-sechs "Neins", die ich in unregelmäßiger Abfolge von mir gegeben hatte, bevor ich auflegte, keine Ruhe geben. Daher der Vorschlag, den ich am Ende von diesem Brief machen möchte.

Zuvor jedoch erkläre ich Ihnen, warum Bach auch nach seinem angeblichen Tode immer noch Magie wirken kann. Nachdem ich das Schuhtelefon in den Schuhschrank zurückgestellt hatte, schaltete ich den Plattenspieler ab, um mir in Ruhe Zähne putzen zu können. Es war ja kurz nach Mitternacht. Das ganze Geklingele hatte meinen Tagesrhythmus um vier Minuten achtzehn durcheinander gebracht. Just in diesem Augenblick, nachdem es also mit Bach aus war, hörte auch das Klingeln an der Tür und das Klopfen an der Decke auf! Hopp - dachte ich mir in diesem Augenblick - hopp, na so was.

Nur die Polizisten gaben keine Ruhe. Also entschloss ich mich, doch einmal nachzufragen, warum Sie so spät stören. Ich rief genau das aus dem Fenster und siehe da, wen sehe ich da? Ich sehe Herr Hansen!

Jetzt müssen Sie wissen, Herr Hansen kenne ich noch aus unserer gemeinsamen Bereitschaftspolizeihundertschaftszeit oben in Wuppertal. Ich sage Ihnen, Herr Hansen war ein unfreundlicher Mensch, da können Sie alle Kassiererinnen dieser Welt, alle Börsenmakler, sich selbst und die beiden PDS-Abgeordneten, die immer so düster dreinschauen in einen Betonmischer stopfen und kräftig mal betonmischen. Wissen Sie, was da raus kommt? Nur damit Sie das wissen: Da kommt nur Brei raus im Vergleich zum Alpenglühen an Unfreundlichkeit, die der Herr Hansen an sich trägt, wie ein anderer vielleicht die Raucherlunge oder die Depressionen oder das Verheiratetsein.

Und weil der Herr Hansen immer so ehrlich zu allem und jedem war, nannten Herr Hansen alle "Herr Hassen". Nur ich fand Herr Hansen immer angenehm. Er scheute sich niemals davor, Menschen, Tieren und Gegenständen Wahres ins Gesicht, Schnauze und Oberflächenlackierung zu schreien. Er war mir zumindest angenehmer als die ganzen Hippies damals bei der BPH. Jede Sitzblockade wollten die gewaltfrei auflösen. Konversationsstrategien statt Knüppel. Nein. Herr Hansen ist zum Fremdkörper hin, hat Guten Tag gewünscht und ihn freundlich gefragt, wo er die Schläge haben möchte, ob Lippe, Nase, Rippen oder ob ihm gar Tritte genehmer wären. Ein witziger Mensch dazu, sehen Sie!

Es heißt also, "mal bitte aufmachen" und eine Minute später steht der Herr Hansen vor mir und hat diese junge Polizistin in Schlepptau. Sie schaut ganz betroffen. Als wäre ihr das alles peinlich. Am peinlichsten müsste ihr das mit dem Glascontainer gewesen sein. Weil Herr Hansen immer ein eins a Fahrer war.

"Sabrina, wart du mal bitte mal im Auto, ich will mich bei dem Herrn hier umschauen, ja?", sagt er und tut, als kannte er mich nicht.
"Aber, aber.. müssen wir... aber nicht...", winselt Sabrina und fuchtelt mit einem Stift herum.
"Passtscho", sagt Herr Hansen und tritt an mir vorbei in die Wohnung. Ich zucke mit den Schultern, schließe die Tür, mache zwei Bier auf und gehe ins Wohnzimmer.

Jetzt ist es nach eins und Herr Hansen schon seit fünf Minuten wieder weg. Ich habe mich entschieden, Sie noch einmal zu treffen. Bewußt, wie Herr Hansen richtig sagte. Bewußt, um Ihnen für alle Mal und so weiter. Herr Hansen habe ich die Geschichte erzählt, weil ich mich wegen rechtlicher Schritte erkündigen wollte. Er hat mir geraten, mich zuerst noch einmal mit Ihnen in Persona auseinanderzusetzen und erst dann die Obrigkeit einzuschalten.

Ich habe an folgenden Tagen Zeit:

Montag 20:27h bis 21:33
Dienstag 12:27 bis 13:53
Donnerstag 12:27 bis 13:53
und zur Not: Freitag 17:17 bis 18:53

Außer diesen Zeit kommt nichts in Frage. Entscheiden Sie sich und geben mir bis nächste Woche bescheid. Ich favorisiere den Montag.

A. Rietpitsch.

 

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